Donnerstag, 1. August 2013

Facebook für kleine und mittelständische Unternehmen

In meinen Vorträgen werde ich immer wieder gefragt, inwieweit sich Facebook auch für KMU nutzen läßt. Daher möchte ich dazu hier gerne gebündelt einige Informationen geben.

Wer ein wenig google oder bing bemüht wird feststellen, dass sich auch die Damen und Herren Gelehrten nicht einig sind, ob Facebook für KMU einen Sinn hat oder nicht. So findet sich eine Befragung von 500 KMUs zur Nutzung von Social Media, durchgeführt an der Hochschule Bremerhaven (http://bit.ly/I9pCEp). "Erst durch eine verstärkte Verwendung lokaler Social Media Plattformen und Bewertungsdienste wie z.B. Qype könnten kleine und mittelständische Unternehmen in Verbindung mit mobile Devices und Apps ihre traditionellen Stärken wie Kundennähe und Serviceorientierung in Nischenpositionen auch in der virtuellen Welt voll ausspielen" so Prof. Dr. Heike Simmet, die die Umfrage begleitete. Dem gegenüber findet sich eine Auswertung von Dr. Frank Lasogga, Professor für Marketing und Marktforschung an der Hochschule Fresenius (http://bit.ly/Rz3jx0). Er kommt in der Studie zum Schluss, dass Facebook für unbekannte KMU prinzipiell keinen nachweislichen Mehrwert liefert. "Die Auffassung, man könnte in Social Media ohne großen Aufwand immense Wirkung erzielen, gehört ins Reich
der digitalen Wünsche", sagt Lasogga. Ein Funken Wahrheit mag in beiden Studien liegen. Dennoch eines Vorneweg: ein Pauschalurteil gibt es nicht. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Insbesondere in der Buiness-to-Business-Kommunikation. Aber selbst in diesem wirklich umstrittenen Bereich gibt es interessante Beispiele, wie den Logistiker Arnold Schwerlast GmbH aus Rimpar (https://www.facebook.com/arnold.schwerlast) mit derzeit gut 6.100 Fans. In diesem Blogbeitrag möchte ich mich aber zunächst auf die Business-to-Consumer-Kommunikation beschränken.

Unter Social Media werden zig Plattformen und Dienste subsumiert. Facebook ist nur eine davon. Mit mittlerweile über 1,15 Milliarden Nutzern aber sicher die führende. Dennoch sollte im Rahmen einer Strategie überprüft werden, ob sie die geeignete ist. So könnte auch Google+ ein interessanter Kanal sein, wenn Sie vor allem eine internetaffine Zielgruppe ansprechen möchten. Strategie ist überhaupt das Stichwort. Die Zeiten des "Ausprobierens" sind lange vorbei. Analog zu den Zeiten, als das Internet zunehmende Verbreitung fand. Auch dort gab es noch die, die gedacht haben, dass sie mit einer Online-Visitenkarte tolle Ergebnisse erzielen könnten. Die Idee ging damals schon nicht auf und sorgte nur für lange Gesichter. Für die sozialen Netze bedeutet dies: wenn machen, dann richtig!

Wollen Facebooknutzer überhaupt mit Unternehmen in Kontakt treten?
Dazu grundsätzlich: Facebook ist eine "Freunde-Netzwerk". Die Idee ist, sich mit seinem (erweiterten) Freundeskreis zu vernetzen, an deren Leben teilzunehmen und neue Kontakte zu finden. Und dies gilt, laut IBM Studie, für 70% der Befragten (http://ibm.co/e26sZF). 49% suchen Neuigkeiten, 46% möchten unterhaltenn werden. Mit Markenunternemen wollen sich dagegen nur 23% austauschen. Der Kontakt zu Unternehmen gehört also nicht zu den bevorzugten Aktivitäten der Facebooknutzer. Dies sind nicht die besten Ausgangsbedingungen. Wer jetzt noch Facebook als Verkaufskanal zu erkennen glaubt, hat - in meiner Einschätzung  - von vorneherein verloren. Es sei denn, er kann die Mega-Schnäppchen anbieten und über diesen Weg einen Mehrwert für die Nutzer generieren. Alle anderen müssen sich zunächst sehr genau überlegen, was (welchen Mehrwert) sie eigentlich mit einer Präsenz auf Facebook erreichen wollen und ob es dafür überhaupt eine Zielgruppe auf Facebook gibt.

Starten Sie mit Ihren Zielen und der anzusprechenden Zielgruppe
Formulieren Sie genau, was Sie erreichen wollen: Verbesserung der Online-Reputation, Steigerung der Aufmerksamkeit, Präsentation als excellenter Arbeitgeber, Verbesserung des Kundenservices über einen neuen Servicekanal, ....?
Wen wollen Sie ansprechen? Findet sich diese Zielgruppe ggf. bereits auf anderen Facebook-Seiten? 
Beschreiben Sie Ihre Zielgruppe so genau wie möglich. Was interessiert diese, durch welche sozio-demographischen Merkmale lassen sie sich charakterisieren?

Definieren Sie ihre Inhalte / Aktionen
Mit welchen Inhalten /Aktionen wollen Sie die Zielgruppe von sich überzeugen? Denken Sie daran, alles was schon auf Ihrer Firmenhomepage steht gehört, außer dem Impressum, nicht hierhin. Welchen Zusatznutzen können Sie Ihrer Zielgruppe liefern? Was hat Unterhaltungswert?  Was können Sie aus dem Unternehmen berichten, was sonst nirgends zu finden ist?
Erstellen Sie nun einen Redaktionsplan. Wann wollen Sie was auf Ihrer angedachten Facebookfirmenseite veröffentlichen? Haben Sie genug Inhalte gefunden, so dass Sie für zunächst 8 Wochen, zumindest wöchentlich, Neues berichten können? Überlegen Sie mit welchen Inhalte Sie starten wollen. Haben Sie Bilder oder Videos (von denen Sie die Nutzungsrechte haben), die Sie einbinden können. Facebook ist multimedial. Bilder und Videos generieren wesentlich mehr Aufmerksamkeit als reine Texte. Wie können Sie die ersten Fans gewinnen? Wollen Sie mit einer Agentur zusammen arbeiten und einzelne Kampagnen fahren? Dann integrieren Sie diese Kampagnen in ihren Redaktionsplan. Denken Sie immer langfristig an ihre Strategie.
Später, wenn Ihre Facebookseite aktiviert wurde, führen Sie den Redaktionsplan rollierend Woche für Woche weiter. So behalten Sie einen roten Faden.

Definieren Sie personelle Verantwortlichkeiten
Hier liegen die "versteckten" Kosten Ihres Facebookengagements. Wer wird zukünftig die Inhalte aus ihrem Redaktionsplan regelmäßig erstellen und einstellen? Wer wird analysieren welche Inhalte gut angekommen sind und kurzfristig auf Kommentare reagieren? Haben Sie genug personelle Ressourcen zur Verfügung? Sind Sie sicher, dass ihr Praktikant die richtige Person für diese Aufgabe ist? Würden Sie ihn auch ihre Pressearbeit anvertrauen? Rechnen Sie zu Beginn mit einem zeitlichen Aufwand von zwei Stunden pro Tag, die Sie investieren müssen Über die Zeit wird sich dieser Aufwand voraussichtlich verringern. Dennoch sollten Sie dann immer noch eine Stunde pro Tag einkalkulieren. Können Sie Antwortzeiten auf Kommentare innerhalb von 24 Stunden sicher stellen?
An den Wochenenden wird Facebook besonders stark genutzt. Können Sie auch hier Ressourcen bereit stellen? Ob Nutzer auf Anfragen an Sam- und Sonntagen eine direkte Antwort erwarten, orientiert sich auch an ihren üblichen Geschäftszeiten.

Berechnen Sie ihr notwendiges Budget
Können Sie die benötigten personellen Ressourcen für einen mittelfristigen bis langen Zeitraum zur Verfügung stellen? Bedenken Sie, Facebook ist ein Dialogkanal. Sympathie bei den Nutzern gilt es sich langfristig zu erarbeiten. Denken Sie nicht in kurzfristigen Kampagnen-Horizonten. Starten Sie nur, wenn Sie ein Budget zur Verfügung stellen können.

Kooperation mit Experten / Influencern
Gibt es zu den von Ihnen angedachten Themen außerhalb Ihres Unternehmens ausgewiesene Experten? Sind diese online aktiv, z.B. über eine eigene Facebookseite, einem Forum oder Blog? Welche Möglichkeiten bestehen für Ihr Unternehmen sich mit diesen zu vernetzen oder sogar zu kooperieren? Ihre Glaubwürdigkeit steigt, wenn Sie mit neutralen Experten gemeinsam auftreten können.

Analysieren Sie die Aktivitäten ihrer Mitbewerber
Lernen Sie von dem, was ihre Mitbewerber tun. Analysieren Sie genau welche Zielgruppe mit welchen Inhalten angesprochen wird. Überlegen Sie sich, wie Sie sich unterscheiden können. Welche Themen können Sie besetzen?

Überlegen Sie, wie Sie ihren Erfolg messbar machen wollen
Über Sinn und Unsinn von Fanzahlen ist bereits viel diskutiert worden. Sind z.B. durch ein Preisausschreiben gewonnene Fans "echte Fans", die Interesse am Austausch mit Ihrem Unternehmen haben? Oder haben diese nur I LIKE gesagt, um das begehrte iPad aus ihrem Preisausschreiben zu gewinnen?
Dennoch bieten die Fanzahlen eine erste Hausnummer. Vor allem dann, wenn sie über Inhalte erarbeitet wurden, die  für Ihre Zielgruppe Relevanz hatte. Darüber hinaus können Sie auch weitere Kennzahlen erheben: Ihre Reaktionszeiten auf Kommentare, generierte Neukontakte, Steigerung von Serviceanfragen, Anzahl der Interaktionen, neue Bewerberanfragen, etc.
Vielfach möchten Geschäftsleiter an dieser Stelle Aussagen zum Return on Investment (ROI) haben. Aus meiner Erfahrung heraus ist dies schwierig. Facebook ist in meinen Augen ein Kommunikationskanal. Und ebenso wie der ROI einer guten internen Unternehmenskommunikation nur über Umwege, nämlich zum Beispiel durch Analyse des Krankenstandes messbar ist, so ist auch ihr Engagement in Facebook nicht ohne weiteres in Heller und Pfennig auszudrücken. Ein Ansatzpunkt könnte eine Reputationsmessung vor ihren Aktivitäten in Facebook und ggf. ein Jahr später sein.

Organisatorische Verankerung ihrer Facebookaktivitäten
Zu Ihrer Strategie gehört auch die Frage nach der organisatorischen Einbindung ihres Facebook-Kanals in ihr Unternehmen. Wer ist für die Aktivitäten verantwortlich? Wer koordiniert die Aktivitäten mit ihren sonstigen Kommunikationsmaßnahmen. Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Personal Branding, Pressearbeit und Social Media sollten Hand-in-Hand arbeiten. Wer verbindet alle Unternehmensbereiche mit den Social Media Aktivitäten und sorgt dafür, dass relevante Informationen an der richtigen Stelle im Unternehmen ankommen? Ein Beispiel: Ein Kunde beschwert sich in Facebook über die unzureichende Verpackung ihres Produktes. Wie gehen Sie damit um? Nutzer sozialer Netze erwarten hier einen Dialog und ein persönliches "darum kümmern". Ein Verweis auf die übliche Service-Hotline ist nicht angebracht. Wie stellen Sie sicher, dass alle Servicebereiche mit den Social Media Aktivitäten harmonisiert werden? Wie stellen Sie sicher, dass Informationen vom Kunden da ankommen, wo Sie zur Verbesserung ihres Unternehmens/Produktes/Dienstleistung oder ihres Services beitragen können? Eine gute Möglichkeit ist der Aufbau eines Social Media Teams, welches sich aus dem Redaktionsleiter und Mitarbeitern aus den verschiedenen Unternehmensbereichen, wie Marketing, Unternehmenskommunikation, PR, Pressearbeit, Produktentwicklung und Kundenservice zusammensetzt. Die Möglichkeiten hängen natürlich sehr stark von der Größe ihres Unternehmens ab.

Bereiten Sie sich auf kritische Situationen vor
Und wenn ein Kunde sich doch mal beschwert und sich andere dem anschließen? Wie gehen Sie mit unzufriedenen Kunden um? Wer ist in dem Falle dafür verantwortlich? Vergessen Sie dabei den oft zitierten "Shitstorm". Nur in sehr wenigen Fälle findet der Unmut von Kunden auf einer Facebookseite überhaupt den Weg in die breite Öffentlichkeit. Wie z.B. im Falle von Greenpeace und Nestlé. Nur wurde hier die Facebookseite eines bekannten Unternehmens durch einen Dritten (Greenpeace) quasi missbraucht um ein Thema (Palmölproduktion) in der Öffentlichkeit zu platzieren. Das ist wiederum der Charme, den Sie als KMU haben. Aufgrund geringer Fanzahlen eignet sich ihre Facebookseite nicht für derartige Kampagnen und auch wenn einzelne ihrer Kunden ihrem Unmut Luft machen, bleiben die Auswirkungen normalerweise gering und lassen sich durch eine vorher definierte Krisenkommunikation leicht kontrollieren. Bei der Krisenkommunikation gilt im übrigen allgemein, je mehr Sympathien Sie bei Ihrer Fangemeinschaft bisher aufbauen konnten, desto weniger Chancen haben potentielle Nörgler. Und warum hört man im Internet immer wieder vom Shitstorm? Zum Einen, weil Journalisten das gerne als Story aufgreifen und zum Anderen, weil Agenturen u.a. Anbieter über die damit geschürte Angst gerne ihre Monitoringtools verkaufen ;-)


Rückendeckung der Geschäftsleitung
Wenn Sie nicht gerade selber der Geschäftsführer sind, dann gilt es nun ihren Geschäftsführer zu überzeugen, sich Rückendeckung zu holen und sich das benötigte Budget genehmigen zu lassen. Erfahrungsgemäß ist dies oft der schwierigste Part. Unwissenheit, Voreingenommenheit und Hörensagen basierend auf Presseartikeln gilt es nun sanft aufzunehmen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Mit der Beantwortung der Fragen aus diesem Beitrag haben Sie eine klare Strategie, Zielsetzungen und wichtige Elemente der operativen Umsetzung bereits in der Hand und Sie haben die Frage für sich beantwortet, inwieweit Facebook für Ihr kleines oder mittelständisches Unternehmen Sinn macht. Auf dieser Basis können Sie ihre Geschäftsleitung nun überzeugen.

Jetzt sind Sie gut vorbereitet und es kann losgehen. An dieser Stelle schließt in Kürze der Beitrag zur Eröffnung ihrer Facebook-Seite an.



Zur Vertiefung verweise ich gerne auch noch auf den Leitfaden "Social Media" der Bitkom in der Auflage von 2012 (http://bit.ly/XNX8Em)

Arnd Walendy
Seniorconsultant
Social Media- / Social Business Consulting

http://www.social-media-consulting.eu
http://social-business-consulting.blogspot.de/

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